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Analyse & Aktion Teil 2: Wie die Marburger Schwurbelszene zum Krieg in der Ukraine steht

 

Es scheint kaum vorstellbar, dass Menschen im Zuge des aufs höchste Maß zu verurteilenden Angriff Russlands gegen die Ukraine, wirklich auf die Idee kommen Putin und sein Handeln zu rechtfertigen. Doch da haben wir die Rechnung ohne die Marburger Schwurbler*innen gemacht. Wer hätte das auch nur ahnen können…

Am vergangenen Montag den 28.02.22 fand in Marburg wieder ein „Spaziergang“ der Coronaleugner*innen und Impfgegner*innen unter dem allseits für Brechreiz sorgenden Motto „freie Impfentscheidung“ statt. Dabei versuchten die Organisator*innen und Teilnehmenden des „Spaziergangs“ dem ganzen den fadenscheinigen Anstrich einer Friedensdemonstration zu geben.

Das dies wohl kaum ernst gemeint sein kann, lässt sich anhand verschiedener Nachrichten und Diskussionen in den Chats der Schwurblis, recht einfach belegen.

Der Anschein, gegen einen Krieg in der Ukraine zu sein, passt nun leider gar nicht zu dem was eigentlich in den Köpfen der Telegram-Gruppenmitglieder abgeht und ins öffentliche Internet posaunt wird.

Direkt zu Anfang fällt auf, dass die Quellen und Argumente der Schwurbler*innen sich fast ausschließlich aus russischen Medien, wie z.B. „Russia Today Deutschland“ ableiten. Diese Tatsache an sich ist nicht wirklich überraschend, immerhin war „RT DE“ schon lange eine beliebte „Informationsquelle“ der “Neuen” Rechten und verschwörungsideologischen Szene.

Interessant ist allerdings, in welchem Widerspruch die verbreiteten Bilder und Nachrichten, zu den auf der Demonstration vorgetragenen Forderungen nach Frieden stehen.

So zeigt schon ein bei dem „Spaziergang“ getragenem Schild, dass die Gründe für die Invasion der Ukraine durch Russland in die bekannten Verschwörungserzählungen hinein gezwängt werden. Auf jenem Schild war nämlich auf einer Seite „Plandemie“ und drum herum „Great Reset“ zu sehen und auf der anderen Seite „Ukraine Krise“ und wieder darum „Great Reset“. So werden beide Krisen als geplantes Spiel von vermeintlichen Eliten zur Etablierung einer „neuen Weltordnung“ und Diktatur inszeniert.Diese Idee eines geplanten Krieges taucht auch in den Telegram Chats auf. Hier als vermeintliche Methode zur Destabilisierung der Nationalstaaten, um eine Diktatur zu errichten. Da scheint die “Corona Diktatur” doch nicht so erfolgreich gewesen zu sein…

Auch wird behauptet, der Krieg komme zu diesem Zeitpunkt, da sich gerade die Pandemie beruhige. Der Krieg solle somit lediglich eine Ablenkung sein, bzw. allgemeiner noch, dass alles was an Nachrichten gesendet wird Ablenkung sei. Wofür wird hier (bewusst) ausgelassen.

Entsprechend der Tradition sich selbst als „Widerstand“ gegen einen angeblichen Faschismus zu begreifen, wird dabei das Framing übernommen, beim russischen Einmarsch in die Ukraine handele es sich um eine reine Friedensmission.

Das all dies nicht kritisch hinterfragt wird, obwohl man ja sonst alles andere kritisch hinterfragen müsse, zeigt, wie weit Realität und die Selbstinszenierung der “Freidenker” auseinander liegen.

Wer sich allerdings bei politischem Geschehen auf dem Level eines Krieges, durch Astrologie und anderes esoterisches „Fachwissen“ „informiert“, von denen ist auch nichts anderes zu erwarten.

Wir sehen klar eine Parallele wie die Verschwörungideolog*innen in Marburg mit dem Krieg in der Ukraine umgehen zu ihrem Umgang mit der Pandemie. Es wird den russischen Staatsmedien aus der Hand gefressen, es wird alles, was von der westlichen Presse gemeldet wird als Lüge tituliert (außer es passt ins eigene Weltbild). Gleichzeitig wird hinter beiden Krisen eine Verschwörung gesehen und es werden wieder mit Begriffen wie Faschismus, Diktatur und Frieden um sich geworfen, in so verdrehten Kontexten, dass sie aus dem Mund der Schwurbler*innen nur leere Phrasen ohne jegliche Bedeutung sind.

Und natürlich wird auch bei der Reaktion der Schwurblis auf den Ukraine Krieg dann nicht mit Rassismus und Queerfeindlichkeit gespart. So wird über trans* Menschen hergezogen, indem ein Artikel der Rechten und christlich-fundamentalistischen Babylon Bee Webseite geteilt wird. Zudem wird die Existenz von Schwarzen Menschen in der Ukraine komplett verneint und weiterführend suggeriert, dass BIPoc’s kein Recht auf Asyl hätten und generell die Aussage getätigt, dass Schwarze Menschen nur in Afrika existieren würden.

Wenn Frank Michler am Montag uns Gegendemonstrierenden fragt, wie wir etwas gegen Menschen haben können, die Frieden wollen. So können wir nur sagen: Nur weil ihr Frieden und Demokratie in den schiefsten Tönen singt, heißt das nicht, dass ihr das auch anstrebt. Denn mit eurem antisemitischen, rassistischen und queerfeindlichen Müll werden wir niemals frieden schließen.

 

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Analyse & Aktion

Analyse & Aktion – Teil 1: Die NS-Relativierungen der Marburger Schwurbelszene

 Willkommen zum ersten Teil unserer neuen Reihe „Analyse und Aktion“! Hier werden wir in den kommenden Wochen immer mal wieder Analysen zur Marburger-Schwurbler*innen-Szene veröffentlichen. Diese werden mal mehr und mal weniger komplex sein, je nachdem wie wir gerade Bock haben und es für die spezifische Thematik angebracht erscheint. Unser Ziel ist es für Außenstehende einen Einblick in die Gedankenwelt der Bewegung zu geben, welche sich nicht immer vollumfänglich auf der Straße äußert, aber dafür ungehemmt ins Internet geschwurbelt wird. Unsere erste Analyse befasst sich mit den unzähligen NS-Relativierungen. Dazu wollen wir eine kleine Auswahl an Äußerungen präsentieren und diese einordnen.

Bei Fragen, Feedback oder anderer Rückmeldung meldet euch immer gerne!

Am vergangen Samstag, dem 22.01.2022, kam es erneut zu einer Demonstration der Marburger Schwurbler*innen. Auf der Abschlusskundgebung trat Hermann Ploppa als Redner. Neben sich gegenseitig widersprechender Zahlen schwadronierte Hermann Ploppa unter anderem auch von der “Biontech SA” (siehe hier ). Statt Widerspruch folgte Applaus. Selbiger Ploppa sprach auch schon davon, die Corona Maßnahmen seien „schlimmer als der Zweite Weltkrieg“. Was diese ekelhaften NS-Vergleiche bewirken: Opfer des Nationalsozialismus werden instrumentalisiert und verhöhnt, sowie das entstandene Leid durch die Gräueltaten des deutschen Faschismus heruntergespielt. Mehr Infos zu Ploppa findet ihr bei Kein Frieden mit Antisemiten und StadtLandVolk.

Deutschlandweit sind NS-Relativierungen elementarer Bestandteil der Querdenken-Bewegung und vor allem von prominenten Schlüsselfiguren der Bewegung werden sie immer wieder reproduziert. Sei es der Ex-Bundestagskandidat für dieBasis Sucharit Bhakdi (Quelle) oder wie hier in Marburg Hermann Ploppa.
Doch auch in den Telegram-Kanälen der Marburger Schwurbelszene sind NS-Relativierungen kein seltenes Phänomen. Dies wollen wir an diversen Chatverläufen belegen:

Unser erstes Beispiel ist ein Screenshot aus Gruppe “Studenten Stehen auf Marburg”, welcher ein Bild zeigt, auf dessen unterer Hälfte das Tor von Auschwitz zu sehen ist mit der Aufschrift “Arbeit macht frei”, darüber befindet seine eine bearbeitete Version des Tors mit der Inschrift “Impfen macht frei”. Die ungeimpften Schwurbler*innen setzen somit die vermeintliche Diskriminierung, welche sie wegen ihres Impfstatus erleben würden mit der systematischen und industriellen Vernichtungslogik der Shoah gleich. Diese ekelhafte Relativierung des wahnhaften Massenmords wird nicht nur geduldet, es wird auch noch von dem Admin und Gründer der “Studenten stehen auf Marburg”-Gruppe mit Applaus Emojis kommentiert.

Selbiger Admin sendet zu einem anderen Zeitpunkt ein editiertes Bild aus der NS-Zeit. Diesmal das wahrscheinlich bekannteste Symbolbild passiven Widerstandes gegen den Nationalsozialismus: Eine Masse an Deutschen, die den rechten Arm zum Hitlergruß hebt, wohingegen in ihrer Mitte eine einzelne Person sich dem verweigert. Den Hitlergruß zeigenden Personen wurden Masken und Impfnachweise an Mund-Nase und Hände editiert, wobei der einzelne, der den Hitlergruß nicht macht, unverändert bleibt. Die Aussage daraus: Alle, die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 einhalten werden als Mitläufer*innen, wenn nicht sogar als Unterstützer*innen eines autoritär-faschistischen Regimes inszeniert. Die Ungeimpften und Maskenverweiger*innen werden hingegen als Widerstandskämpfer*innen charakterisiert. Die Gleichsetzung von geimpften Personen mit Nazis zeugt nicht nur von einem absolut desaströsen Wissensstand über die ideologischen Grundlagen des Nationalsozialismus, sondern ebenso drückt es den Wunsch aus sich in dem eigenen, fantasierten Widerstand zu bestätigen. Dabei erscheint es irrelevant wie diesem Ausdruck verliehen wird. Hauptsache es ist „dagegen“.

Eine bei den Schwurbler*innen gern gesehene Form der Relativierung ist, wie bei auch bei Ploppa am Samstag zu hören war, die Verwendung von SS und SA mit Bezug zu verschiedenen Akteur*innen, welche nicht die Positionen der Querdenker*innen teilen.
Deren Äußerungen und Taten werden so mit den grausamen Verbrechen der Schutzstaffel, welche maßgeblich an der Organisation und Durchführung der Shoah beteiligt war, sowie verantwortlich für zahllose Erschießungen von Zivilist*innen ist und der Sturmabteilung, welche als Straßenschlägertrupp der NSDAP agierte und für gewaltsame Überfalle auf Jud/Jüd*innen und Linke sorgte, auf eine Stufe gestellt. So wird im ersten Beispiel von einem “SS Arzt” geredet, weil dieser kritisiert, dass Ungeimpfte mehrheitlich Schuld an überlasteten Intensivstationen tragen.

Zudem gebrauchen andere Nutzer*innen die Bezeichnung “SAntifa”, welche normalerweise von Rechtsradikalen verwendet wird. Hierbei ist auch nochmal zu bemerken, dass Christiane Gründerin der dieBasis Diskussionsgruppe von Marburg auf Telegram ist.

In einer weiteren Nachricht wird sich mit den Jud/Jüd*innen im Nationalsozialismus verglichen, die unvorstellbaren Grausamkeiten, die jüdische Menschen erleiden mussten werden dabei massiv verharmlost und sich eine vermeintlich vergleichbare staatliche Verfolgung herbeifantasiert.

Insgesamt zeigt sich, dass sowohl online als auch offline, NS-Relativierungen in der Marburger Schwurbel Szene gerne gesehen sind und von Schlüsselfiguren dieser Szene verbreitet werden. Zusätzlich werden diese Vergleiche nicht kritisiert, sondern entweder schweigend hingenommen oder sogar abgefeiert.

Das war die Analyse für den Erkenntnisgewinn,
nun lasst uns durch Aktion die Schwurbelbewegung zum Stillstand bring‘!