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Analyse & Aktion

Analyse & Aktion – Teil 1: Die NS-Relativierungen der Marburger Schwurbelszene

 Willkommen zum ersten Teil unserer neuen Reihe „Analyse und Aktion“! Hier werden wir in den kommenden Wochen immer mal wieder Analysen zur Marburger-Schwurbler*innen-Szene veröffentlichen. Diese werden mal mehr und mal weniger komplex sein, je nachdem wie wir gerade Bock haben und es für die spezifische Thematik angebracht erscheint. Unser Ziel ist es für Außenstehende einen Einblick in die Gedankenwelt der Bewegung zu geben, welche sich nicht immer vollumfänglich auf der Straße äußert, aber dafür ungehemmt ins Internet geschwurbelt wird. Unsere erste Analyse befasst sich mit den unzähligen NS-Relativierungen. Dazu wollen wir eine kleine Auswahl an Äußerungen präsentieren und diese einordnen.

Bei Fragen, Feedback oder anderer Rückmeldung meldet euch immer gerne!

Am vergangen Samstag, dem 22.01.2022, kam es erneut zu einer Demonstration der Marburger Schwurbler*innen. Auf der Abschlusskundgebung trat Hermann Ploppa als Redner. Neben sich gegenseitig widersprechender Zahlen schwadronierte Hermann Ploppa unter anderem auch von der “Biontech SA” (siehe hier ). Statt Widerspruch folgte Applaus. Selbiger Ploppa sprach auch schon davon, die Corona Maßnahmen seien „schlimmer als der Zweite Weltkrieg“. Was diese ekelhaften NS-Vergleiche bewirken: Opfer des Nationalsozialismus werden instrumentalisiert und verhöhnt, sowie das entstandene Leid durch die Gräueltaten des deutschen Faschismus heruntergespielt. Mehr Infos zu Ploppa findet ihr bei Kein Frieden mit Antisemiten und StadtLandVolk.

Deutschlandweit sind NS-Relativierungen elementarer Bestandteil der Querdenken-Bewegung und vor allem von prominenten Schlüsselfiguren der Bewegung werden sie immer wieder reproduziert. Sei es der Ex-Bundestagskandidat für dieBasis Sucharit Bhakdi (Quelle) oder wie hier in Marburg Hermann Ploppa.
Doch auch in den Telegram-Kanälen der Marburger Schwurbelszene sind NS-Relativierungen kein seltenes Phänomen. Dies wollen wir an diversen Chatverläufen belegen:

Unser erstes Beispiel ist ein Screenshot aus Gruppe “Studenten Stehen auf Marburg”, welcher ein Bild zeigt, auf dessen unterer Hälfte das Tor von Auschwitz zu sehen ist mit der Aufschrift “Arbeit macht frei”, darüber befindet seine eine bearbeitete Version des Tors mit der Inschrift “Impfen macht frei”. Die ungeimpften Schwurbler*innen setzen somit die vermeintliche Diskriminierung, welche sie wegen ihres Impfstatus erleben würden mit der systematischen und industriellen Vernichtungslogik der Shoah gleich. Diese ekelhafte Relativierung des wahnhaften Massenmords wird nicht nur geduldet, es wird auch noch von dem Admin und Gründer der “Studenten stehen auf Marburg”-Gruppe mit Applaus Emojis kommentiert.

Selbiger Admin sendet zu einem anderen Zeitpunkt ein editiertes Bild aus der NS-Zeit. Diesmal das wahrscheinlich bekannteste Symbolbild passiven Widerstandes gegen den Nationalsozialismus: Eine Masse an Deutschen, die den rechten Arm zum Hitlergruß hebt, wohingegen in ihrer Mitte eine einzelne Person sich dem verweigert. Den Hitlergruß zeigenden Personen wurden Masken und Impfnachweise an Mund-Nase und Hände editiert, wobei der einzelne, der den Hitlergruß nicht macht, unverändert bleibt. Die Aussage daraus: Alle, die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 einhalten werden als Mitläufer*innen, wenn nicht sogar als Unterstützer*innen eines autoritär-faschistischen Regimes inszeniert. Die Ungeimpften und Maskenverweiger*innen werden hingegen als Widerstandskämpfer*innen charakterisiert. Die Gleichsetzung von geimpften Personen mit Nazis zeugt nicht nur von einem absolut desaströsen Wissensstand über die ideologischen Grundlagen des Nationalsozialismus, sondern ebenso drückt es den Wunsch aus sich in dem eigenen, fantasierten Widerstand zu bestätigen. Dabei erscheint es irrelevant wie diesem Ausdruck verliehen wird. Hauptsache es ist „dagegen“.

Eine bei den Schwurbler*innen gern gesehene Form der Relativierung ist, wie bei auch bei Ploppa am Samstag zu hören war, die Verwendung von SS und SA mit Bezug zu verschiedenen Akteur*innen, welche nicht die Positionen der Querdenker*innen teilen.
Deren Äußerungen und Taten werden so mit den grausamen Verbrechen der Schutzstaffel, welche maßgeblich an der Organisation und Durchführung der Shoah beteiligt war, sowie verantwortlich für zahllose Erschießungen von Zivilist*innen ist und der Sturmabteilung, welche als Straßenschlägertrupp der NSDAP agierte und für gewaltsame Überfalle auf Jud/Jüd*innen und Linke sorgte, auf eine Stufe gestellt. So wird im ersten Beispiel von einem “SS Arzt” geredet, weil dieser kritisiert, dass Ungeimpfte mehrheitlich Schuld an überlasteten Intensivstationen tragen.

Zudem gebrauchen andere Nutzer*innen die Bezeichnung “SAntifa”, welche normalerweise von Rechtsradikalen verwendet wird. Hierbei ist auch nochmal zu bemerken, dass Christiane Gründerin der dieBasis Diskussionsgruppe von Marburg auf Telegram ist.

In einer weiteren Nachricht wird sich mit den Jud/Jüd*innen im Nationalsozialismus verglichen, die unvorstellbaren Grausamkeiten, die jüdische Menschen erleiden mussten werden dabei massiv verharmlost und sich eine vermeintlich vergleichbare staatliche Verfolgung herbeifantasiert.

Insgesamt zeigt sich, dass sowohl online als auch offline, NS-Relativierungen in der Marburger Schwurbel Szene gerne gesehen sind und von Schlüsselfiguren dieser Szene verbreitet werden. Zusätzlich werden diese Vergleiche nicht kritisiert, sondern entweder schweigend hingenommen oder sogar abgefeiert.

Das war die Analyse für den Erkenntnisgewinn,
nun lasst uns durch Aktion die Schwurbelbewegung zum Stillstand bring‘!

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Berichte Redebeitrag

08.01.2022 SOLIDARITÄT STATT VERSCHWÖRUNGSMYTHEN: Demobericht und unser Redebeitrag

Kurze Info vorab: Hier werden in den nächsten Tagen immer mal wieder ältere Beiträge von uns nachträglich hochgeladen. Die werdet ihr dann an dem schönen Wort „Archiv“ erkennen können!
+++ Schwurbler*innen die Route geklaut +++
Heute, am 08.01., haben wir zusammen mit ca 250 Demonstrierenden und etlichen Gruppen gezeigt, dass Marburg kein Bock auf Verschwörungsmythen und unsolidarische Pandemie Bekämpfung hat. Schon überhaupt bevor der heutigen Demo war die Aktion ein voller Erfolg, da die Schwurbler*innen von ihrer Route, die sie die letzten Male gelaufen sind verdrängt wurden. Anstelle der Route durch die Stadt, liefen die jämmerlichen Gestalten vom Georg-Gaßmann-Stadion bis in die Südstadt hinein, womit wir also mehr Menschen davor bewahren konnten, so einem nervtötenden und gefährlichen Haufen zu begegnen. Stadtdessen gingen nämlich wir die Route durch die Stadt und sorgten mit dem Verteilen von Flyern dafür, dass Passant*innen unsere Positionen nachvollziehen konnten. Besonders kamen diese Positionen in den sehr bereichernden Redebeiträgen nochmals zur Geltung. Denn wir wollen nicht nur kein antisemitisches und unwissenschaftliches Geschwurbel, sondern eben auch einen anderen Umgang mit der Pandemie. Wir wollen einen solidarischen Umgang, das heißt: Die Reichen zur Kasse bitten, die Patente nicht mehr unter Verschluss halten, Löhne im Medizinsektor rauf, Privatisierung unserer Krankenhäuser stoppen und die Enteignung starten und noch viel mehr!
Leider werden die Schwurbler*innen nicht von alleine aufhören, deshalb morgen ausruhen, und dann wieder auf die Straße gehen! Denn: Kein Frieden mit Antisemit*innen!
Wir wollen uns hier an dieser Stelle nochmal bei Fridays For Future Marburg bedanken und vorallem auch bei allen anderen Gruppen die uns unterstützt haben und insbesondere sich die Arbeit gemacht haben einen Redebeitrag zu erstellen.
Apropros Redebeitrag, hier folgt unserer:
Liebe Genoss*innen und liebe Freund*innen
    
Seit einigen Wochen sind sie wieder da. Die hässlichen, antisemitischen und egoistischen Coronaproteste der Marburger Querdenker*innen. Jeden Montag treffen sie sich nun zu pseudo Spaziergängen und werden dabei immer mehr. Neben dem Vater Unser und die Gedanken sind frei, schreien sie immer wieder nach dem Ende ihrer fantasierten Corona-Diktatur und für ihre individuelle Freiheit. und ausgerechnet heute wollen sie Hevenu Shalom Alechem singen, ein jüdisches Volkslied, welches die Sehnsucht nach Frieden von jüdischen Menschen ausdrückt. Das ist an Widerlichkeit kaum zu überbieten.
Doch wer sind diese Menschen, die sich für solch einen inhaltsleeren Müll mobilisieren lassen?
Zu unserer Verwunderung und offen gesagt auch zu unserem Erschrecken, findet sich bei diesen Demonstrationen eine sehr heterogene Masse wieder. Von unscheinbar wirkenden Studierenden, über esoterischen Hippies, vermeintlich Linken, Aktivist*innen der critical mass und strammen Nazis, tauchen mehrheitlich Gestalten auf, die sich selbst als die so genannte bürgerliche Mitte verstehen.
Viel zu oft wird ihnen abgesprochen zur bürgerlichen Mitte zu gehören, doch genau dort liegt das Problem. Denn die bürgerliche Ideologie ist der perfekte Nährboden für autoritäre Fantasien und Verschwörungsmythen.
Die Ohnmachtserfahrung einer globalen Pandemie und die daraus resultierende weitere imaginierte Ohnmacht durch die Maßnahmen, führen hier zu keiner vernünftigen gesellschaftlichen Analyse. An die Stelle eben jener kritischen Analyse werden hier lediglich antisemitische Verschwörungstheorien gesetzt. Denn diese geben den Verschwörungsideolog*innen wieder ein Gefühl der Ermächtigung, da sie ihnen ein klares Feindbild geben, welches es zu Beseitigen gilt, um die Krisenlage zu überwinden. Hier werden glasklar die autoritären und rachelüstigen Vernichtungsfantasien deutlich. Denn sobald die Verschwörer*innen und alle ihre Unterstützter*innen vernichtet sind, erst dann, ist die Ohnmacht wieder vollständig verschwunden. Dass als Verschwörer*innen hauptsächlich jüdische Menschen ausgemacht werden ist bei diesen Theorien beinahe ein trauriger und erschreckender Klassiker und deshalb kaum überraschend. Doch, dass Antisemtismus in Deutschland nur noch im Kontext von Verschwörungstheorien stattfindet, ist leider ein Irrglaube. Vielmehr ist er in die Grundlage westlicher Gesellschaften eingebrannt. Mit der Leipziger Autoritarismus Studie aus dem Jahre 2020 wurde gezeigt, dass 34% der Deutschen, der Aussage zustimmen, dass jüdische Menschen noch immer zu viel Einfluss in Deutschland haben.
Doch auch an anderer Stelle, sammeln sich die autoritären Wünsche der bürgerlichen Ideologie in den Corona-Protesten. Zwar skandieren sie Dinge wie „keine Diktatur“ oder „mehr Basisdemokratie“, meinen damit jedoch ausschließlich die radikale, kompromisslose und gewaltsame Durchsetzung ihrer Ansichten und Positionen in der ganzen Gesellschaft. Dies jedoch ist letztlich autoritär und antidemokratisch und zeigt sich in wiederholten Angriffen gegen Journalist*innen sowie Morddrohungen gegen Politiker*innen und den Wunsch eine „neue Ordnung“ zu errichten. Dabei gehen sie allerdings alles andere als progressiv vor. Sie wünschen sich eine mystifizierte Version der Welt von vor zwei Jahren zurück, die es so nie gegeben hat. Um dies zu erreichen sind ihnen letztendlich alle Mittel recht.
Doch was bedeutet diese Freiheit, die sie sich zurück erkämpfen wollen, eigentlich?
Im Grunde ist ihr Freiheitsbegriff ein konsequent egoistischer. Es geht ihnen darum, während einer globalen Pandemie, sich nur für ihre eigene Gesundheit interessieren zu müssen. Das bedeutet: Sie verwehren sich jeglicher Rücksichtsnahme auf andere. Ihr Interesse, ihren unwissenschaftlichen Willen durchsetzen zu wollen, steht über dem Recht auf Gesundheit und Lebensrecht aller anderen. Ihre Freiheit setzt sich somit aus dem Wunsch zusammen zu jedem Zeitpunkt und überall genau das tun zu können was sie wollen. Irrelevant, ob sie andere damit einer Gefahr aussetzen. Denn es schert sie nicht, ob das Pfelegepersonal in den Kliniken vollends überlastet ist und täglich Menschen sterben, solange sie weiterhin ihren bürgerlichen Lebensstil von vor zwei Jahren durchprügeln und weiter leben können. 
Dieser Freiheitsbegriff ist die konsequent zu Ende gedachte vermeintliche Freiheit des Neo-Liberalismus, der indivdiuelle Freiheit einzelner privilegierter Menschen nur ermöglicht, durch die Unfreiheit anderer. Dabei nämlich vor allem People of Colour im globalen Süden, Menschen in prekärer Beschäftigung und denjenigen, die aufgrund ihrer Identität keinen Platz im bürgerlichen Idealbild finden.
Zum Schluss finden wir uns dann doch wieder bei der Frage: Wie kann ein emanzipatorischer und progressiver Freiheitsbegriff aussehen?
Es ist notwendig, Freiheit immer antiautoritär, hierarchiefrei und solidarisch zu begreifen. Denn Freiheit kann nur außerhalb kapitalistischer, normativer und gesellschaftlicher Zwänge existieren. Diese Zwänge diktieren uns wie wir unsere Lebenszeit investieren müssen,nämlich hauptsächlich in Lohnarbeit, welchen Geschlechtern wir uns zuordnen dürfen, wie wir mit der Gesellschaft interagieren müssen und die dabei versprochene Selbstentfaltung darf nur innerhalb ihrer engummauerten Normen geschehen. Die individuelle Freiheit wird nicht in dem Ausmaß, wie es die Querdenker*innen behaupten, durch die Corona-Maßnahmen des Staates eingeschränkt, sondern ihre Einschränkung liegt bereits in der grundlegenden Organisation des Kapitalismus, des binären Geschlechtssystem und des Nationalstaates, sowie im Rassimus, Ableismus und der Misogynie. Eine Gesellschaft, die sich von den Zwängen des bürgerlichen, nationalstaatlichen Kapitalismus befreit hat, ermöglicht für alle freie Entfaltung und freiwillige Beziehungen auf jeder Ebene des Zusammenlebens. Denn dies ist nicht nur die Freiheit für die Einzelnen, sondern die Freiheit für alle.
Der Kampf für die Freiheit muss also an ganz anderer Stelle angesetzt werden.
Deshalb erinnern wir uns daran: Das System ist gemein, aber nicht geheim.
Gegen Verschwörungsmythen, Antisemitismus und für den anarchakommunistischen Klassenkampf!
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Über uns

Wir sind das Alerta Kollektiv!

Wir sind das Alerta Kollektiv.
Wir sind eine queerfeministische, antifaschistische und antikapitalistische Gruppe aus Marburg. Unser Ziel ist es, rechte Formierungen nicht zuzulassen und uns ihnen aktiv in den Weg zu stellen.
Wir wollen besonders die Visibilität von FLINTA* in linken und Antifa-Kontexten aktiv verbessern.
Kein Mensch ist frei davon, Diskriminierungen zu reproduzieren.
Einen queerfeministischen und antirassistischen Anspruch zu haben, bedeutet daher für uns, dass wir uns mit unseren Privilegien, den Diskriminierungen die wir reproduzieren, sowie gesellschaftlichen Rollenbildern, Aufgabenverteilungen und Stigmata auseinandersetzen, diese reflektieren und daraus Konsequenzen für unser politisches Arbeiten und Handeln, sowie Privatleben ziehen.
Wir wollen auf Aktivitäten von rechten Strukturen aufmerksam machen, über diese aufklären und sie unterbinden.
Wir wollen aber auch auf Probleme aufmerksam machen, die nicht klassisch in einen antifaschistischen Arbeitsbereich fallen.
Wir wehren uns neben Nazis auch gegen Neu-Rechte, gegen christlich-konservative und andere Fundamentalist*innen, gegen Verschwörungsideolog*innen und gegen Macker.
Wir wollen eine Welt ohne Ausbeutung und Diskriminierungen, in der alle frei von gesellschaftlichen Normen und Zwängen, selbstbestimmt leben können.
„Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen.“ – Esther Bejerano
Gleiches gilt für den Kampf gegen Fundamentalist*innen und Verschwörungsideolog*innen, wie es die Geschichte der Bundesrepublik gezeigt hat. Sei es bei dem NSU, NSU 2.0, in Hanau, Halle oder bei den Querdenken-Protesten und anderen antisemitischen Verschwörungsideolog*innen.
Antifaschismus bleibt Handarbeit!
Alerta!